Ein Kreislauf für Kohlendioxid
Die Klimaziele sind klar formuliert – doch trotz wachsender Anstrengungen beim Umstieg auf regenerative Energien gelangt weiterhin zu viel Kohlendioxid in die Atmosphäre. Statt also nur darüber nachzudenken, wie sich CO2-Emissionen vermeiden lassen, werden zunehmend Methoden entwickelt, mit denen sich das Treibhausgas in Kreisläufe einbinden oder sogar ganz aus dem System entfernen lässt. Die TH Deggendorf und die OTH Regensburg forschen an einer Technik, mit der sogar beides möglich sein könnte.
Im Projekt ReduCO2 entwickeln die beiden Hochschulen gemeinsam eine Katalysator-Zelle, die die chemische Reduktion von CO2 zu Ethanol mittels Strom ermöglicht – einem wichtigen Ausgangsstoff in der chemischen Industrie, bei dessen Verbrennung wiederum CO2 entsteht. So ergibt sich ein Kreislauf, in dem das Treibhausgas sinnvoll genutzt werden kann und der so einen Beitrag zu Klimaschutz und Energiewende leistet.
Die beiden Leiter des Projekts, Prof. Raimund Förg (TH Deggendorf) und Prof. Dr. Martin Kammler (OTH Regensburg), sehen gleich mehrere Einsatzszenarien für ihre Entwicklung: Vom großindustriellen Einsatz bis zu einem kleinen Gerät, das man sich zuhause an den Schornstein schraubt, sei theoretisch alles möglich. „Es kommt eigentlich nur darauf an, was der Markt will“, so Förg. „Die Technik selbst ist fast beliebig skalierbar.“
Sein Kollege Martin Kammler ergänzt: „Das Ethanol ist außerdem nur ein erster Schritt in unserem Projekt. Wir wollen die Technik so weiterentwickeln, dass sich auch langkettige Kohlenstoffverbindungen aus CO2 erzeugen lassen, die ebenfalls in der chemischen Industrie gebraucht werden. Idealerweise sogar Stoffe, die dann zum Beispiel zu Kunststoff weiterverarbeitet werden – so würde man das Kohlendioxid gleich ganz aus dem System entziehen.“
Sollte die Lösung unseres CO2-Problems wirklich so einfach sein?
Ist sie natürlich nicht, sonst hinge wohl längst an jedem Schornstein ein CO2-Katalysator. Geforscht wird an der Idee nämlich bereits seit den 80er Jahren, aber den Durchbruch hat noch niemand geschafft. „Bisher ist der Prozess einfach nicht effizient und spezifisch genug“, erklärt Förg. „Aber das ist ja gerade die Kernkompetenz von Hochschulen für Angewandte Wissenschaften: Dass sie Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in den industriellen Maßstab überführen können.“
Dabei hilft auch die enge Verbindung zwischen den Hochschulen und der Industrie: Wie bei vielen Projekten sind auch bei ReduCO2 gleich mehrere Firmen als Partner an Bord, darunter namhafte Hersteller von Halbleitern und Prozessanlagen für die Solarzellenindustrie ebenso wie ein Unternehmen, das sich mit der Elektrosynthese von Rohstoffen befasst.
Nanostrukturen sind der Schlüssel
Dass die Umwandlung von CO2 zu Ethanol heute wieder intensiv erforscht wird, hängt mit den Fortschritten in der Nanotechnologie zusammen – denn nanostrukturierte Oberflächen können helfen, die Reaktion in Gang zu bringen. „Nanostrukturen verleihen einer Oberfläche ganz andere Eigenschaften“, erklärt Kammler. „Dadurch wird der Katalysator selektiver und effizienter.“
Auch Förg und Kammler setzen in ihrem Projekt auf Nanostrukturen. Das Team baut zunächst die vielversprechendsten Nano-Oberflächen anderer Forschergruppen nach und sucht davon ausgehend die ideale Materialkombination. Dabei muss vor allem ein Problem gelöst werden: Bisher sind die Nanostrukturen viel zu instabil, je nach Zusammensetzung halten sie nur wenige Tage oder sogar Stunden. Von einem Einsatz unter realen Bedingungen ist die Technik also noch ein Stück weit entfernt.
Das Projektteam von ReduCO2 sucht deshalb vor allem nach Materialkombinationen, die den Katalysator stabilisieren. Am vielversprechendsten ist dabei aktuell eine Mischung aus mehrlagigem Graphen und metallischen Nanostrukturen, die wie Spitzen aus der Oberfläche ragen. Diese Kombination gehe zwar zulasten des Wirkungsgrades, gibt Förg zu, aber sie sei eben deutlich langlebiger. „Das ist ein bisschen wie beim Vergleich zwischen einem Formel-1-Auto und einem VW-Golf: Der Rennwagen fährt vielleicht schneller, aber der Golf hält dafür 15 Jahre.“
Die richtige Nano-Oberfläche sei daher auch nur ein Aspekt des Projekts, ergänzt Kammler: „Um am Ende eine markfähige Lösung anbieten zu können, müssen wir den gesamten Prozess im Blick behalten.“ Für einen erfolgreichen Transfer der Technik in die industrielle Anwendung sind auch andere Fragen wichtig: zum Beispiel, wie das CO2 in das Gerät reinkommt und das Ethanol anschließend wieder raus. Und woher eigentlich der Strom kommen soll, der die Reaktion antreibt.
Gerade am benötigten Strom scheiden sich bei neuen Technologien ja häufig die Geister, aber die Projektleiter und ihr Kollege Prof. Dr. Alfred Lechner, der das Projekt an der OTH Regensburg initiiert und bis zu seiner Pensionierung im vergangenen Jahr geleitet hat, sind auch in diesem Punkt optimistisch: Erstens werde die Stromerzeugung über regenerative Energiequellen immer einfacher und Strom damit leichter verfügbar – und zweitens bräuchten die herkömmlichen Prozesse in der chemischen Industrie ebenfalls große Mengen Energie, nur eben in Form fossiler Energieträger.
Klimaschutz kann sich auch wirtschaftlich lohnen
Und noch ein wichtiges Argument haben Kammler und Förg auf ihrer Seite: „Es gibt Studien, die belegen, dass unsere Technik künftig wirtschaftlicher sein wird als die herkömmlichen chemischen Herstellungsprozesse mit fossilen Rohstoffen“, sagt Kammler. „Das liegt unter anderem daran, dass unsere Zellen ein reines Endprodukt erzeugen, während bei anderen Herstellungsprozessen allein zwei Drittel der Kosten für die Trennung der Endprodukte anfallen.“
Die Zeichen stehen also auf Erfolg im Projekt ReduCO2, und das liegt unter anderem auch am Engagement der Industriepartner. Einige von ihnen „hängen sich voll rein“, so Förg, denn sie haben Interesse am gesamten Prozess oder am fertigen Produkt. Andere sind eher an Details interessiert, etwa an der Herstellung der Nanostrukturen. Aber alle sind spürbar gewillt, dem Projekt zum erfolgreichen Abschluss zu verhelfen.
In der verbleibenden Laufzeit bis September 2024 will das Projektteam nun vor allem das Stabilitätsproblem in den Griff bekommen und parallel nach Wegen suchen, wie sich die Katalysator-Zellen regenerieren lassen. Am Ende soll ein Demonstrator stehen, der die Machbarkeit zeigt, skalierbar ist und den Herstellungsprozess für die Zellen beschreibt. „Damit kann der Katalysator theoretisch direkt von interessierten Firmen umgesetzt und auf den Markt gebracht werden“, sagt Raimund Förg. Dann hätte die Technik endlich den dringend benötigten Sprung vom Formel-1-Wagen zum VW Golf geschafft – und könnte aktiv zu Klimaschutz und Energiewende beitragen.