Koexistenz statt Konflikt: Wie sich Photovoltaik mit Ackerbau und Biodiversität vereinbaren lässt : Datum:
An der Hochschule Anhalt wurde kürzlich eine Agri-Photovoltaik-Anlage eingeweiht, mit der landwirtschaftliche Flächen gleichzeitig für Solarenergie und für den Anbau von Feldfrüchten genutzt werden können. Das Besondere an der im Projekt BIODIV-SOLAR entwickelten „AgriPVplus“-Anlage ist das Dreifachnutzungskonzept: In der Versuchsfläche mit senkrecht aufgestellten, zweiseitig aktiven Solarmodulen wird neben dem Anbau von Kulturen auch die Integration von insektenfreundlichen Wildpflanzenstreifen untersucht.
Regenerative Energie aus Solaranlagen gilt als unverzichtbar für den Energiemix der Zukunft, doch die Photovoltaik gerät zunehmend in Konflikt mit der Landwirtschaft und dem Schutz der Biodiversität: Da die verfügbaren Dachflächen nicht ausreichen, um künftig ausreichend Strom aus Sonnenenergie zu erzeugen, werden immer häufiger so genannte Freiflächenanlagen oder Solarparks aufgestellt. Unter den flach montierten und nach Süden ausgerichteten Solarmodulen ist der Anbau von Feldfrüchten jedoch nicht mehr möglich. Mit dem modernen Ackerbau sind diese Solarparks daher nur schwer vereinbar, und auch für Flächen, die landwirtschaftlich nicht genutzt werden, stellen sie einen starken Eingriff in die Natur dar.
Das Projekt BIODIV-SOLAR – gefördert im Programm Forschung an Fachhochschulen über die Maßnahme FH-Kooperativ – will diesen Konflikt mit verschiedenen neu entwickelten Konzepten für die Agri-Photovoltaik auflösen. Eines davon ist AgriPVplus: Hier werden vertikal aufgestellte Solarmodule in Reihen zwischen den Anbauflächen montiert, so dass die Pflanzen weiterhin genug Licht bekommen. Eine solche Anlage wurde nun auf einem Testfeld der Hochschule Anhalt eingeweiht; unter anderem war der Wissenschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Armin Willingmann unter den Gästen, und die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger beteiligte sich mit einer Videobotschaft.
„Gerade die vertikale Bauweise der Anlagen ist einer der großen Vorteile von AgriPVplus“, erklärt Projektmitarbeiter Pascal Scholz. „Die Module sind nämlich bifazial, sie können also auf beiden Seiten Sonnenlicht auffangen und in Strom umwandeln. Wenn man sie nach Ost und West ausrichtet, produzieren sie dank der tiefstehenden Sonne vor allem vormittags und nachmittags.“ Da die meisten flach montierten und nach Süden ausgerichteten Module – ob auf Dächern oder Freiflächen – vor allem zur Mittagszeit Strom liefern, schließt AgriPVplus hier eine entscheidende Lücke.
Auch in Bezug auf das Pflanzenwachstum ist die vertikale Bauweise ein echter Gamechanger: Zwar werfen die Module ebenfalls einen Schatten, doch abgesehen von besonders sonnenhungrigen Arten wie Mais oder Sonnenblumen kommen Pflanzen damit hervorragend zurecht. In heißen und trockenen Sommern könnten vertikale Solarmodule sogar die Erträge steigern, weil sie zusätzlich noch den Wind ablenken und somit die Verdunstung von Feuchtigkeit auf dem Feld reduzieren; darauf deuten zumindest erste Erfahrungen mit vergleichbaren Anlagen hin. Und auch die Abläufe in der Landwirtschaft lassen sich mit AgriPVplus gut vereinbaren: Die Modulreihen können flexibel aufgestellt werden, so dass zwischen ihnen genug Platz für Landmaschinen bleibt. Wenn man dann noch die Bereiche direkt unter den Modulen für niedrig wachsende Wildpflanzenstreifen nutzt, ist auch Bestäubern wie Honig- und Wildbienen sowie anderen wichtigen Nützlingen geholfen, von denen die Landwirtschaft abhängig ist.
Die neu eingeweihte AgriPVplus-Anlage der Hochschule Anhalt besteht aus insgesamt 144 Modulen und soll pro Jahr etwa 55.000 Kilowattstunden Solarstrom liefern. Sie soll vor allem dazu genutzt werden, die Praxistauglichkeit des Konzepts wissenschaftlich zu überprüfen. Zugleich dient sie auch als Demonstrationsobjekt für die Öffentlichkeit, anhand dessen innovative Landnutzungskonzepte veranschaulicht werden können.