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Bessere User Experience beim Streaming : Datum:

Streaming-Plattformen sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, und auch die Menge verfügbarer Videos wächst stetig. Doch wie kann man die Qualitätsansprüche der Kunden und die Kosten für Speicherung und Übertragung in Einklang bringen? Dieser Frage geht die Hochschule RheinMain im Projekt VidUX nach und entwickelt einen Algorithmus, der die jeweils niedrigste Datenrate unter Erfüllung der Qualitätsansprüche ermittelt und somit das gesamte Nutzungserlebnis verbessert.

Es sind die modernen „Luxusprobleme“ unserer Zeit: Man möchte sich bei einem Streamingdienst einen Film anschauen, doch es dauert eine Weile, bis das Video lädt – oder es wird zeitweise in schlechter Qualität abgespielt. Manchmal kommt es auch zu Unterbrechungen, dem sogenannten Buffering. Im ungünstigen Fall stoppt das Video komplett und lädt nicht mehr weiter. Das Ergebnis sind frustrierte Nutzerinnen und Nutzer.

Ein Mann liegt auf einer Couch und hält einen Laptop auf dem Schoß; auf dem Bildschirm läuft ein Streamingdienst.
Heimkino im Kleinformat: Streamingdienste ermöglichen es uns, Filme, Serien oder Videoclips auf jedem Endgerät und an jedem Ort mit Internetempfang zu schauen. Je nach Internetverbindung lässt allerdings das Nutzererlebnis – die User Experience (UX) – zu wünschen übrig. © Adobe Stock / daviles

Die Fachwelt spricht in diesem Zusammenhang von der so genannten User Experience (UX), also dem Nutzungserlebnis, das natürlich möglichst gut sein sollte. Aber was genau meint das eigentlich, und worauf kommt es dabei an?

“Der Begriff UX fasst mehrere Faktoren zusammen: Die wahrgenommene Videoqualität, die Zeit zwischen Anforderung und Start des Videos, das Buffering oder auch unerwartete Stopps während des Streamings“, erklärt Videocodierungsexperte Prof. Dr. Matthias Narroschke von der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. All diese Faktoren können zusammen zu einer besseren oder schlechteren User Experience führen.

In dem vom BMBF geförderten Projekt „Ende-zu-Ende Optimierung der User Experience für OTT-Videodienste (VidUX)“ wollen Narroschke und sein Kollege Prof. Dr. Wolfgang Ruppel die User Experience beim Abspielen von Videos verbessern. Mit dem Streaminganbieter Joyn GmbH konnten sie dafür einen Partner gewinnen, der die wissenschaftlichen Erkenntnisse gleich „im Feld“ an seinen Nutzerinnen und Nutzern testen und die Ergebnisse direkt umsetzen kann.

Ziel des Projekts ist es, einen Algorithmus zu entwickeln, der das subjektive Nutzererlebnis möglichst genau schätzt – und dann die jeweils bestmögliche Abspielqualität unter den vorhandenen Rahmenbedingungen beim Kunden ermöglicht. Eine solche Rahmenbedingung ist beispielsweise die verfügbare Datenrate am jeweiligen Endgerät: Wenn die Datenrate auf einem Endgerät nicht ausreicht, wird automatisch auf eine niedrigere Qualitätsstufe gewechselt. Gegenwärtig werden Videos je nach Verbindung in wenigen, vorher festgelegten Datenratenabstufungen abgespielt, unabhängig von ihrem Inhalt oder der Komplexität. Wenn die verfügbare Datenrate auf einem Endgerät nicht ausreicht, wird entweder das Video gestoppt, oder die optische Qualität muss vom Nutzer manuell heruntergeregelt werden.

User Experience im Mittelpunkt der Forschung

An dieser Stelle setzt das Projekt VidUX an. Mit dem so genannten VMAF-Wert (video multi-method assessment fusion) kann die subjektive Qualität eines Videos auf einer Skala von 0 bis 100 dargestellt werden. Das Projektteam hat erforscht, welche VMAF-Werte für eine optimale User Experience erforderlich sind. „Ein VMAF-Wert von mindestens 95 entspricht im Mittel etwa der Originalqualität bei Wiedergabe auf einem 4K-Fernseher. Bei einer Wiedergabe auf einem aktuellen Smartphone ist für Originalqualität ein geringerer VMAF-Wert von etwa 92 im Mittel erforderlich“ so Projektleiter Narroschke

Over-the-top-Dienste

Bei Over-the-top-Diensten, auch OTT genannt, handelt es sich um Telekommunikationsdienste, die NutzerInnen und Nutzern eine internetbasierte Kommunikation ermöglichen. Ihre Nutzung ist nicht an einen bestimmten Festnetz- oder Mobilfunkanschluss gebunden.

Quelle: Bundesnetzagentur

Dafür wurden umfangreiche Probecodierungen und standardisierte subjektive Tests im Labor der Hochschule RheinMain vorgenommen, die eine optimale UX unter Einbeziehung verschiedener Parameter darstellen konnten. So konnte das Projektteam beispielsweise ermitteln, unter welchen Umständen die beste Abspielqualität erreicht werden kann und ab wann Nutzerinnen und Nutzer merkliche Qualitätsabstufungen bei der Wiedergabe eines Videos wahrnehmen. Im Mittelpunkt der Forschung steht somit das subjektive Nutzererlebnis – aber immer bei möglichst geringer Datenrate und maximaler Qualität. „Bei unseren Versuchen haben wir auch festgestellt, dass die UX bei Videos mit einem VMAF-Wert von unter 50 so niedrig ist, dass es in der Regel nicht mehr sinnvoll ist, dieses Video abzuspielen, weil die Bildqualität für viele Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr akzeptabel ist.“ so Prof. Narroschke.

Datenrate minimieren – Qualität maximieren

Durch die Minimierung der Datenrate bei maximal möglicher Qualität werden zudem die Kosten zur Speicherung und Übertragung minimiert, was gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit fördert. Zusätzlich sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Buffering auftritt und das Video ruckelt. Im Idealfall bemerken die Nutzerinnen und Nutzer bei der Wiedergabe eines Videos kaum qualitative Unterschiede zum Original. Die Abstufungen der bereitgestellten Videoqualitäten sind so gering, dass ein Umschalten zwischen diesen kaum wahrgenommen wird.

In der Praxis bedeutet das: Man klickt ein Video an, das Endgerät analysiert die verfügbare Datenrate und fordert das Video in einer Qualität an, die immer knapp unter der verfügbaren Datenrate liegt. So kann sichergestellt werden, dass dieses Video die bestmögliche UX erzeugt.

Allerdings, so erzählt Prof. Ruppel, sei es schwierig, die gewünschte Qualität bei der Encodierung zu erzeugen. „Jedes Video weist unterschiedliche Komplexitäten auf, daher braucht es einen leistungsfähigen Algorithmus, der diese Komplexität analysieren und passende Encodierparameter vorschlagen kann“, so der Experte. „Einen solchen Algorithmus auf Basis künstlicher Intelligenz und neuronaler Netze haben wir im Rahmen dieses Projektes entwickelt. Bei der Entwicklung haben auch unsere Studierenden mitgewirkt, die wir in unseren Lehrveranstaltungen intensiv auf diese modernen Techniken vorbereiten“ berichtet Narroschke.

Standardisierung des Verfahrens als langfristiges Ziel

Das Projekt VidUX war ursprünglich bis Ende 2022 angesetzt, doch wie so oft in der Forschung, haben auch hier nicht vorhersehbare Entwicklungen das Vorhaben verändert. Insbesondere konnten die in großem Umfang durchgeführten subjektiven Bewertungen im Labor pandemiebedingt nicht im ursprünglich geplanten Zeitraum stattfinden. Dank einer Laufzeitverlängerung um sechs Monate ist das VidUX-Team aber optimistisch, die Arbeiten erfolgreich abschließen zu können.

„Die qualitätsorientierte Encodierung für Videostreaming ist Gegenstand aktiver Forschung weltweit, und wir waren eine der ersten Institutionen, die dazu publiziert hat.“ so Prof. Narroschke. Der Streaminganbieter Joyn kann den Erfolg der im Projekt VidUX entwickelten Herangehensweise mittels Nutzer-Feedback bewerten und so wichtige Erkenntnisse liefern, um den Algorithmus für qualitätsorientiertes Videostreaming weiter zu verbessern.

Doch wie soll es nun weitergehen mit den Erkenntnissen? Ziel des Projekts ist es natürlich, dass die Technik vor allem bei Joyn flächendeckend eingesetzt wird. Zudem soll das Verfahren aber auch von weiteren Streaminganbietern für deren Nutzerinnen und Nutzer implementiert werden.