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Wohngemeinschaften in der Waschmaschine : Datum:

Wenn die Wäsche nach dem Waschen müffelt, sind meist Bakterien und andere Kleinstlebewesen daran schuld. An der Hochschule Furtwangen untersucht ein Team aus Mikrobiologen und Biochemikern im Waschmaschinen-Mikrobiom-Projekt, kurz WMP, welche Mikrobengemeinschaften sich in Waschmaschinen bilden und ob sie dem Menschen unangenehm oder gar gefährlich werden können.

Hand aufs Herz: Wie oft reinigen Sie Ihre Waschmaschine? Benutzen Sie gelegentlich Waschprogramme mit hohen Temperaturen? Und gibt es in Ihrem Haushalt noch Vollwaschmittel in Pulverform?

Zwei Hände an einem schmutzigen Dichtungsgummi an einer Waschmaschinentrommel.
Von wegen hygienisch sauber: In Waschmaschinen fühlen sich Mikroben ziemlich wohl. Wärme, Feuchtigkeit und schwer zugängliche Stellen bieten ihnen einen guten Lebensraum, zum Beispiel in der Bullaugendichtung. © Adobe Stock / Aleksej

Spätestens, wenn die Maschine oder die frisch gewaschene Wäsche gelegentlich müffelt, sollte man sich diese Fragen stellen, sagt Professor Markus Egert von der Hochschule Furtwangen: „Wir alle möchten gerne umweltschonend und nachhaltig waschen, aber niedrige Temperaturen und sanfte Waschgänge laufen leider der notwendigen Hygiene zuwider.“

Egert ist Mikrobiologe und befasst sich schon seit langem mit den Lebensgemeinschaften, die Mikroben im Umfeld des Menschen bilden. In der Wissenschaft bezeichnet man diese Gemeinschaften als Mikrobiom. Jeder Mensch trägt sein ganz eigenes, individuelles Mikrobiom mit sich herum, und auch die Gegenstände in unserem Umfeld sind von den verschiedensten Gemeinschaften aus Bakterien, Pilzen, Viren und anderen Mikroorganismen besiedelt. Grund für Ekel ist das erst mal nicht: Die meisten unserer Mitbewohner sind harmlos bis nützlich, einige brauchen wir sogar, um überhaupt gesund leben zu können – etwa die Darmbakterien, die uns bei der Verdauung helfen.

Biofilme mit unbekanntem Inhalt

Doch was ist mit den Mitbewohnern in der Waschmaschine, einem Gerät, das uns eigentlich hygienische Sauberkeit verspricht? Jeder kennt die schleimigen, hartnäckigen Beläge, die sich zum Beispiel in der Bullaugendichtung oder der Einspülkammer bilden: so genannte Biofilme, in denen Bakterien und andere Mikroorganismen geschützt vor äußeren Einflüssen recht gut überleben können. Im Detail wisse man bisher aber erstaunlich wenig darüber, welche Mikroben in Waschmaschinen leben und was sie dort machen, sagt Egert: „Obwohl bekannt ist, dass Waschmaschinen anfällig für Verkeimungen sind, gab es bislang kaum Studien, die den Keimgehalt an verschiedenen Stellen von Waschmaschinen einmal konkret gemessen hätten.“

Deshalb hat der Mikrobiologe das Waschmaschinen-Mikrobiom-Projekt ins Leben gerufen: Seit gut drei Jahren arbeitet sein Team daran, Licht ins Dunkel der Waschmaschinen-WGs zu bringen. Die Mikrobenbesiedlung wirft zum einen gesundheitliche Fragen auf, denn einige Keime können gerade für immungeschwächte Menschen durchaus zum Problem werden. „Diese Überlegungen spielen aber vor allem in Krankenhäusern, Altenheimen und anderen Einrichtungen eine Rolle, wo Hygiene ganz besonders wichtig ist“, meint Egert.

Viel näher am Alltagsleben der meisten Menschen ist ein ganz anderer Aspekt: Die Mikroben-WGs können schlechten Geruch verursachen. Und müffelnde Wäsche ist für Egerts Team und die Industriepartner im Projekt – darunter der Waschmittelhersteller Henkel – Grund genug, sich das Waschmaschinen-Mikrobiom einmal genauer anzuschauen.

Eine mittlere Großstadt auf einem Quadratzentimeter

Das Projekt hat zunächst einmal ein paar harte Fakten zutage gefördert: dass in den untersuchten Waschmaschinen mehr als 200 verschiedene Bakterienarten leben, zum Beispiel – Viren und Pilze sind hier noch nicht einmal mitgezählt. An den am stärksten verkeimten Stellen wohnt eine ganze Mikroben-Großstadt auf engstem Raum: „Wir haben Spitzenwerte von bis zu 337.000 Keimen pro Quadratzentimeter gefunden“, so Egert. „Das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl von Bielefeld.“

Das WMP-Team hat drei gut zugängliche Stellen der Maschine untersucht, die man auch als Laie problemlos reinigen kann (und sollte): den Pumpensumpf, die Bullaugendichtung und die Einspülkammer. Einer der bekanntesten „Stinker“, ein Bakterium namens Moraxella osloensis, lebt besonders gern in der Bullaugendichtung. In der Einspülkammer wiederum fand sich die größte Artenvielfalt. Und auch diese Zahl gehört zu den Erkenntnissen aus dem Projekt: Rund die Hälfte der häufigsten Arten, die das WMP-Team in den Maschinen gefunden hat, können Menschen potenziell krank machen.

WMP ist mehr als nur ein Bakterienkatalog

Die reine Katalogisierung des Waschmaschinen-Mikrobioms war aber nur der erste Schritt des Projekts und ist laut Egert „fast schon ein bisschen langweilig“: So genannte metataxonomische Analysen, bei denen bestimmte Markergene aus einer Probe vervielfältigt, sequenziert und den unterschiedlichen Mikrobenarten zugeordnet werden, sind längst wissenschaftliches Standardprozedere. Wer darüber hinaus auch noch etwas über die Aktivitäten der Mikroben erfahren will, muss sich auf anderen molekularen Ebenen umschauen und zusätzlich die mRNA, die Proteine oder die Stoffwechselprodukte analysieren, die so ein Mikrobiom produziert. Das wiederum ist methodisch deutlich komplexer, und die benötigten Geräte und Verfahren sind erst in den letzten Jahrzehnten etabliert worden.

Egert und sein Team haben bereits mehrere entsprechende Studien dazu veröffentlicht. Die aktuellste von ihnen, veröffentlich im Juli 2021, ist ein Vergleich des bakteriellen Transkriptoms – also der gesamten bakteriellen mRNA aus einer Probe – auf Baumwoll- und Polyesterfasern nach dem Waschen. Das sei, so Egert, die erste Studie dieser Art an Wäschestücken: „Bisher wurden solche Metatranskriptomanalysen eher an Proben aus dem menschlichen Körper durchgeführt. Auf Textilien leben aber sehr viel weniger Mikroben als etwa im menschlichen Darm.“ Die für menschliche Proben etablierten Methoden musste das Team also erst einmal an die eigenen Anforderungen anpassen und empfindlicher machen – ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeiten.

Neue Ansätze für mehr Wäschehygiene

Insgesamt dient das Waschmaschinen-Mikrobiom-Projekt vor allem der Grundlagenforschung, doch so abstrakt die Ergebnisse zunächst auch wirken mögen: Sie bieten viele neue Ansatzpunkte, um Hygieneprodukte für Wäsche und Maschine zielgerichteter und besser zu machen und den Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Hygiene zumindest teilweise aufzulösen. Die Entwicklung neuer Produkte gegen Wäschegeruch und verkeimte Waschmaschinen überlässt Markus Egert allerdings lieber seinen Industriepartnern. Stattdessen liefert der Hygieneexperte einige handfeste Tipps für Waschmaschinenbesitzer: „Wischen Sie die Maschine regelmäßig mit Allzweckreiniger aus, denn Biofilme wird man vor allem durch mechanisches Reinigen los“, rät er. „Lassen Sie Bullauge und Einspülkammer nach jedem Waschgang zum Trocknen offen. Außerdem sind regelmäßige Waschgänge bei mindestens 60 Grad und mit bleichehaltigen Pulver-Vollwaschmitteln Pflicht.“

Markus Egert und sein Team werden sich auch weiterhin einen Überblick über die immense Vielfalt unsere Mitbewohner im Haushalt verschaffen und die Mikrobiome von Spülschwämmen, Brillen oder anderen Gegenständen untersuchen. Auch Folgeprojekte für die Waschmaschine sind natürlich geplant, die auf den WMP-Erkenntnissen aufbauen. Und in einem Punkt ist der Mikrobiologe optimistisch: Nicht alle unsere Mitbewohner haben es auf unsere Gesundheit abgesehen. Vielleicht stellen sich einige von ihnen ja sogar noch als ganz nützlich heraus? Diese „probiotische“ Frage will Egert auf jeden Fall weiterverfolgen – bei seiner Suche in Waschmaschinen und überall sonst, wo ihm unbekannte Mikroben-WGs begegnen.