Läuft wie geschmiert : Datum:
TeflonⓇ kennt man gemeinhin als nützliche Beschichtung für Kochgeschirr. An der Hochschule Mannheim befasst sich ein Forscherteam jedoch mit einer ganz anderen Anwendung des Materials: Im Projekt PTFE-Transferfilme untersuchen die Wissenschaftler, ob und wie gut sich Teflon® – auch als Polytetrafluorethylen oder PTFE bekannt – als fester Schmierstoff für Gleitlager in Maschinen eignet.
Wenn in einer Maschine Bauteile beweglich gelagert werden sollen, dann müssen die Lager gut geschmiert werden. Nur so lässt sich die Reibung zwischen den Teilen, zum Beispiel in einem Gleitlager, ausreichend verringern. Fett oder Öl sind dabei allerdings nicht immer die beste Wahl, erklärt Prof. Dr. Jürgen Molter, Leiter des Kompetenzzentrums Tribologie an Hochschule Mannheim:
„Diese klassischen Schmierstoffe hinterlassen Rückstände an den Maschinen, die man in Produktionszweigen mit hohen Ansprüchen an Hygiene und Sauberkeit, wie der Lebensmittelproduktion oder der Medizintechnik, nicht gebrauchen kann.“ Aber auch im Automobilbau verzichte man gerne auf Fette und Öle, wenn das möglich sei, erläutert er: „In Kombination mit Staub und Schmutz von der Straße bilden sie nämlich eine Art Schleifpaste.“
Als Ersatz für Fette und Öle befasst man sich in der Tribologie (Reibungslehre) deshalb mit so genannten Festschmierstoffen wie Grafit, bestimmten Kunststoffen oder sehr fein geriebenen Keramikpartikeln. Da sich feste Stoffe aber nicht aufträufeln oder schmieren lassen, werden sie oft als Pulver oder Gleitlack aufgetragen – oder das Lager besteht gleich komplett aus dem gleitfähigen Werkstoff, so dass sich das gelagerte Gegenstück sozusagen in einer Hülse aus Schmiermittel dreht. Ein solches Bauteil ist auch das Ziel des Projekts PTFE-Transferfilme, an dem Jürgen Molter und sein Team seit fast drei Jahren arbeiten.
Der Kunststoff PTFE, landläufig auch unter dem Markennamen Teflon® bekannt, ist eines der gleitfähigsten Materialen überhaupt: An diesem Material haftet praktisch gar nichts. Es ist nicht brennbar, lässt sich in keinem bekannten Lösungsmittel auflösen, quillt nicht auf und zeichnet sich überhaupt durch bemerkenswerte chemische Stabilität aus. Eigentlich wäre PTFE also ein perfektes Schmiermittel, meint Projektmitarbeiter Andreas Keller – wenn es nur auch mechanisch etwas stabiler wäre. „PTFE ist leider etwa um das sechsfache druckempfindlicher als andere Polymere“, erklärt der junge Wissenschaftler. „Ein Bauteil aus diesem Material würde unter Druck einfach wegflutschen. Man muss das PTFE daher in eine Matrix aus einem stabileren Material einbetten.“
Die optimalen Bedingungen für gute Transferfilme ausloten
Im Projekt PTFE-Transferfilme wollen Molter und Keller die optimalen Bedingungen für ein solches Bauteil bestimmen: Welche Stoffe kommen als Matrix infrage, was ist das beste Mischverhältnis von Matrix und PTFE, und was passiert überhaupt in einem solchen PTFE-Gleitlager? Klar ist erst einmal nur, dass sich ein dünner Schmierstofffilm aus PTFE auf das Gegenstück im Lager überträgt – der so genannte Transferfilm, der dem Projekt seinen Namen gegeben hat. „Wir wollen genau wissen, wann und wie das passiert, denn es gibt nur ein schmales Fenster von idealen Bedingungen, in dem sich gute Transferfilme bilden“, erklärt Jürgen Molter.
Und was ist überhaupt ein „guter“ Transferfilm? Auch diese Frage hat das Team sich gestellt, denn in der wissenschaftlichen Literatur werden verschiedene Ideen diskutiert. Eins der populärsten Modelle besagt, dass das PTFE sich nicht als flächendeckender Film ablagert, sondern eher inselförmig, und dass die PTFE-Moleküle sich dabei in Lamellen anordnen, die leicht aneinander vorbeigleiten. Dieses Modell scheint von der Realität nicht allzu weit entfernt zu sein: Die besten Ergebnisse erhielten Molter und Keller in ihren Versuchen mit jenen Mischungen, die eine Art Flickenteppich aus PTFE auf dem Gegenstück des Lagers bildeten.
Das Fazit aus dem Projekt lautet deshalb: Der beste Transferfilm ist ein nicht ganz geschlossener Film, der außerdem nicht zu dünn und nicht zu dick sein darf. Ist er zu dick, gibt es zu viel Verschleiß im Lager, ist er zu dünn, dann kann sich das Gegenstück nicht reibungsfrei bewegen. Die Oberfläche des Gegenstücks spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: In der Grundlagenforschung arbeitet man oft mit ganz besonders glatten Oberflächen, doch Molter und sein Team haben festgestellt, dass das PTFE-Gleitlager für solche Oberflächen nicht besonders gut geeignet sind. Im Gegenteil muss das Gegenstück, das sich im Lager dreht, eine gewisse Rauheit aufweisen – erst dann kann der PTFE-Transferfilm daran haften.
Ein neuer Werkstoff und viel Know-How
In bisher über 300 Versuchen mit unterschiedlichen PTFE-Mischungen unter verschiedenen Bedingungen hat das Projektteam inzwischen die optimale Zusammensetzung für einen neuen PTFE-Werkstoff herausgearbeitet. Diese Erkenntnisse kann der Projektpartner, die GGB Heilbronn GmbH, in Form neuer Produkte verwerten. Mindestens ebenso wichtig ist Jürgen Molter aber der analytisch-methodische Fortschritt, den das Projekt bereits jetzt, einige Monate vor Projektende, gebracht hat: „Wir haben eine Menge Know-How zu Reibung, Verschleiß und Filmbildung gewonnen und konnten auch einige Hinweise finden, die die bestehenden Modelle teilweise bestätigen.“
Wer so viel aus einem Forschungsprojekt lernen konnte, hört danach natürlich nicht einfach auf, an dem Thema zu arbeiten. Molter und sein Team haben schon Pläne geschmiedet, was sie mit den umfassenden Daten anstellen könnten, die sie gewonnen haben. Eine selbstgebaute Auswertungssoftware, die die Kennwerte verschiedener PTFE-Mischungen ausgibt, gibt es bereits. Darauf aufbauend, meint Molter, könnte man ein KI-basiertes Tool entwickeln, das das Verhalten verschiedener Werkstoffe präzise vorhersagt. Für dieses Vorhaben muss das Team allerdings noch eine deutlich größere Datenbasis aus anderen Projekten aufbauen. Ansonsten aber läuft es am Mannheimer Kompetenzzentrum Tribologie, nun ja: wie geschmiert.