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Bahn und Bus intelligent vernetzt : Datum:

Bus und Bahn sind wieder in Mode - spätestens seit Beginn der Klimaproteste ist der öffentliche Nah- und Fernverkehr zum Zukunftsthema aufgestiegen. An der Hochschule Karlsruhe erarbeitet ein Forscherteam bereits seit Jahren moderne IT-Lösungen für den ÖPNV. In seinem aktuellen Projekt VSB-ÖP widmet sich das Team vor allem den Systemen im Hintergrund, die den Nahverkehr organisieren: Wie können Verkehrsbetriebe sich Big-Data- und Smart-Data-Ansätze oder auch Künstliche Intelligenz (KI) zunutze machen, um ihre Fahrpläne, die Strecken und das Personal erfolgreicher zu planen?

Einerseits sind sich ja alle einig: Dem Klima und der Luft in unseren Städten würde es guttun, wenn mehr Leute mit Bus und Bahn statt mit dem eigenen Auto fahren. Andererseits argumentieren viele Autonutzer aber, dass sich der Umstieg auf die „Öffis“ für sie nicht lohnt, weil die Preise zu hoch, die Verbindungen zu schlecht oder die Verkehrsmittel zu unzuverlässig sind.

Eine Straßenbahn vor einer Häuserfront; in dem Bild sind Symbole eingezeichnet, die vernetzte Daten andeutet
Digitale Daten spielen heute eine wichtige Rolle im öffentlichen Personenverkehr. Eine bessere Datenqualität soll die Planung der Verkehrsbetriebe deutlich vereinfachen und ihnen helfen, die Verbindungen zu optimieren. © Luca Galina & Hannes Schwarzer, IUMS, Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft

Moderne Datenanalysen könnten den Verkehrsbetrieben helfen, diese Probleme zu lösen und bessere Angebote zu schaffen. „Allerdings stammen die im ÖPNV erhobenen Daten aus sehr unterschiedlichen Quellen, und die Datenqualität ist oft ausbaufähig“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Thomas Schlegel, Leiter des Instituts für Ubiquitäre Mobilitätssysteme an der Hochschule Karlsruhe. „Deshalb gibt es bisher kaum Ansätze, Big Data oder Smart Data für die Verlässlichkeit zu nutzen.“

Metadaten sollen den Datenwust bändigen

Das erklärte Ziel von Schlegel und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Projekt VSB-ÖP („Verlässlichkeit von Smart und Big Data im öffentlichen Personenverkehr“) ist es deshalb, die Datenqualität zu verbessern. Da sich an den eigentlichen Daten und den unterschiedlichen Quellen oft wenig ändern lässt, setzen sie auf Metadaten: In diesen werden Herkunft und typische Fehlerquellen festgeschrieben, so dass die Grunddaten trotz aller Unterschiede automatisch klassifiziert und ausgewertet werden können.

Das Projektteam konzentriert sich hauptsächlich auf die betriebsinternen Daten aus den so genannten rechnergestützten Betriebsleitsystemen (ITCS für „Intermodal Transport Control System“): Die Fahrzeuge liefern zum Beispiel Positionsdaten und Informationen zur Ankunft und Abfahrt an Haltestellen, Züge melden die Drehbewegungen der Räder, und in einigen Fahrzeugen werden auch die Ein- und Ausstiege von Fahrgästen gezählt.

All diese Erfassungssysteme sind mehr oder weniger genau und auf verschiedenen Ebenen fehleranfällig. Eine typische Fehlerquelle ist der Mensch, etwa wenn der Fahrer beim Verlassen des Depots vergisst, sich am System anzumelden. Daten können auch beim Übertragen an die Leitstelle verloren gehen oder mit Verzögerung eintreffen. Und bei allen Informationen stellt sich die Frage: Wurden sie genau gezählt oder nur geschätzt, sind sie errechnet oder von einem Sensor gemessen?

Die unterschiedlichen Quellen und Erzeugungsmethoden führen zu einem Wust aus Daten, den die Verkehrsbetriebe bislang kaum auswerten - oder nur mit klassischen statistischen Methoden, die hier nur begrenzt anwendbar sind. „Dabei könnte man so viel mehr aus den Daten herausholen“, meint Schlegel. Sein Team arbeitet daher an Visualisierungsmethoden, die später in eine bereits existierende Software integriert werden sollen. Eigentlich, so der IT-Wissenschaftler, seien Big Data und Künstliche Intelligenz oft auch nur eine Form von Statistik - allerdings eine, mit der man Informationen findet, die ansonsten im Datenchaos verborgen bleiben.

Schlegel nennt ein anschauliches Beispiel: Eine Störung auf der Strecke. „In der Regel setzen die Verkehrsbetriebe dann ihre Experten für die Notfallplanung ein - Menschen, die den Job oft schon Jahrzehnte machen und genau wissen, welche Ausweichmöglichkeiten das Netz bietet“, erklärt er. Mit einer entsprechenden IT-Lösung, die aus den vorhandenen Daten in kurzer Zeit errechnet, welche Strecken und welche Fahrzeuge ersatzweise genutzt werden können, könnte man aber viel schneller auf Störungen reagieren - und den Nutzern auch gleich noch verlässliche Informationen darüber liefern, wie sie nun am besten an ihr Ziel gelangen.

Bisher kaum Fördergelder für die Forschung zum öffentlichen Personenverkehr

Doch obwohl das Thema aktuell wie nie ist, wird es von Politik, Öffentlichkeit und sogar den Verkehrsbetrieben selbst bisher eher stiefmütterlich behandelt. Themengebundene Fördergelder gebe es im Bereich Verkehr fast nur für den Autoverkehr, sagt Schlegel. In der Forschung zum ÖPNV, aber auch zum Rad- und Fußverkehr ist es schwer, entsprechende Gelder einzuwerben. Die Gründe seien vielfältig, so der Wissenschaftler: „Zum einen gibt es generell wenig Ausbildung zum Thema öffentlicher Verkehr in Deutschland. Und zum anderen scheint der Leidensdruck nicht hoch genug zu sein, um ein System von Grund auf zu modernisieren. Die Kommunen, die meist die Verkehrsnetze betreiben, müssen schon Interesse an innovativen Ansätzen haben, um solche Methoden wie unsere zu übernehmen.“

Zumindest hat die Hochschule Karlsruhe jedoch einen zuverlässigen Wirtschaftspartner für dieses und andere Projekte: Die INIT GmbH, die bereits seit über drei Jahrzehnten IT-Lösungen für den öffentlichen Nahverkehr anbietet, beteiligt sich auch aktiv am Projekt VSB-ÖP und will die geplanten Auswertungen und Visualisierungen in ihre Software übernehmen. Die INIT-Kunden profitieren damit direkt von dem Projekt und seinen Ergebnissen. „Wir freuen uns aber natürlich auch über weitere Anwendungsfälle, die außerhalb des Projekts liegen“, erklärt Thomas Schlegel. „Alle Verkehrsunternehmen, die Interesse an solchen Lösungen haben und ihre Daten für das Projekt zur Verfügung stellen wollen, sind herzlich eingeladen, uns zu kontaktieren.“

Nach aktuellem Stand wird VSB-ÖP noch bis zum Sommer 2021 laufen, doch das Thema Big Data, Smart Data und KI im öffentlichen Personenverkehr wird danach natürlich nicht auf Eis gelegt. Das Team der Hochschule Karlsruhe und der INIT-GmbH plant bereits die ersten Folgeprojekte - damit am Ende ein besserer Nahverkehr für alle entsteht und sich der Umstieg auf die „Öffis“ doch lohnt.